Laudatio für Dr. Jens Pistorius

Dr. Jens Pistorius

Meine Damen und Herren, liebe Imkerinnen und Imker, meine sehr verehrten Gäste aus Nah und
Fern!

Heute verleihen wir zum 12. Mal den Apisticus des Jahres an eine verdiente Persönlichkeit aus Ihren Reihen, ein Ehrenpreis, der jenen Persönlichkeiten verliehen werden soll, die sich in be- sonderer Weise um Imkerei und Bienenkunde verdient gemacht haben und deren Entscheidungen von großer Tragweite für das Wohl der Imkerschaft waren.

Der Apisticus-Tag ist dafür bekannt, dass er aktuelle Probleme der Imkerei thematisiert, die sachliche Diskussion anregt und fördert und somit auch zu einer von der Imkerschaft getragenen Entscheidung oder Lösung beiträgt. Deshalb ist gerade dieser Tag in besonderer Weise dazu ge- eignet, einen Ehrenpreis zu verleihen, der herausragende Leistungen einzelner Persönlichkeiten, die über das normale berufliche Engagement hinausgehen, hervorhebt und in der Imkerschaft noch einmal die Aufmerksamkeit auf genau diese Leistung lenkt.

Als 2006 erstmalig dieser Ehrenpreis vergeben wurde, haben die Initiatoren des Preises sehr an- spruchsvolle Kriterien festgelegt, nach denen sich die Vergabe richten muss. Ich darf aus den heute hier ausliegenden Vergaberichtlinien zitieren:

Der „Apisticus des Jahres“ ist eine Auszeichnung, mit der besondere Verdienste ausgezeichnet, herausragende Ereignisse gewürdigt oder besondere Tätigkeiten einzelner Persönlichkeiten, Ver- einigungen oder Institutionen herausgestellt werden sollen. Für den „Apisticus des Jahres“ kön- nen Personen, aber auch Vereinigungen oder Institutionen vorgeschlagen werden, die besondere Verdienste um Imkerei, Bienenkunde oder diesen Bereichen nahestehenden Fachgebieten erwor- ben haben, Entscheidungen von großer Tragweite für die Imker getroffen haben oder in besonde- rer Weise der Imkerschaft verbunden sind und in Wissenschaft, Verwaltung, Öffentlichkeit oder Medien tätig sind.

Geehrt wurden bisher Persönlichkeiten aus allen gesellschaftlichen Bereichen. So zählen zu den Preisträgern Wissenschaftler wie Dr. Eva Rademacher aus Berlin oder Dr. Klaus Wallner von der Landesanstalt in Hohenheim. Aber auch ökologisch engagierte Imker und Naturschützer wie Utto Baumgartner von der Blühenden Landschaft, der Buchautor Helmut Hintermeier. Imkermeister Thomas Radetzki zählt ebenso zu den Preisträgern wie Dr. Friedhelm Jäger, Ministerialrat im Nordrhein-Westfälischen Ministerium, der sich sehr für eine moderne Sichtweise in der Bekämp- fung der Amerikanischen Faulbrut eingesetzt hatte. Im letzten Jahr wurde Dr. Joachim Eber- hardt für seinen „Honigmacher“ geehrt, eine e-learning Plattform zu Bienenkunde und Imkerei.

Heute nun ehren wir eine Persönlichkeit ganz besonderer Couleur: Er ist 41 Jahre jung, stammt aus Berlin und ist in Neckargemünd im schönen Odenwald zur Schule gegangen. Er fährt gerne Fahrrad, wenn er nicht in seinem Garten gärtnert, seine Bienen versorgt oder für die Imkerei und deren Produkte wirbt. Natürlich ist er Imker im Nebenerwerb und hat nach dem Studium der Chemie und der Soziologie in Heidelberg zu den Bienen gefunden. Bei Dr. Rosenkranz im Bienen- institut der Universität Hohenheim hat er das wissenschaftliche Imkern erlernt und auch sein Studium der Agrarbiologie mit den Schwerpunkten Ökotoxikologie, Pflanzenschutz, Entomologie und Bienenkunde im Jahre 2005 mit Auszeichnung abgeschlossen. Seinen Doktortitel erwarb er vor gut einem Jahr am 8. März 2016 an der Universität Rostock.

Wenn man seinen Lebenslauf studiert, so findet man keine Zeit des Müßigganges, obwohl wir seit Lind auer wissen, dass gerade Müßiggang eine ganz zentrale Verhaltensweise der Stockbienen ist und bei Bienen also durchaus positiv bewertet wird. Nein, Müßiggang kennt man bei unserem Preisträger nicht. So war er ein Jahr in Australien, hat Praktika absolviert, die seine fachliche Qualifikation erweiterten und schärfte schließlich als Wissenschaftliche Hilfskraft im Bieneninsti- tut, der Ökotoxikologie und dem Institut für Pflanzenernährung der Universität Hohenheim seine wissenschaftlichen Grundlagen.

2005 nun begann sein beruflicher Werdegang und die wissenschaftliche Welt nahm von unserem Preisträger Kenntnis. Zunächst als Techniker bei GAB Biotechnologie in Niefern Öschelbronn im Rahmen der Prüfung der Bienengefährlichkeit von Pflanzenschutzmitteln, später bei der Nach- folgeorganisation eurofins-GAB als Prüfleiter für ökotoxikologische Prüfungen im Rahmen europä- ischer Prüfrichtlinien.

Als die Nachfolge von Dr. Brasse, dem obersten Bienenschützer der Biologischen Bundesanstalt in Braunschweig neu zu besetzen war, gab es keinen besseren Bewerber als eben unseren heutigen Preisträger. Und spätestens jetzt sollten Sie wissen, von wem wir sprechen.

Es handelt sich um den Diplomagrarbiologen, Direktor und Professor Dr. Jens Pistorius, Leiter des
2016 neu gegründeten Instituts für Bienenschutz am Braunschweiger Julius Kühn-Institut, dem
Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen.

Meine Damen und Herren, all das ist ja noch nicht genug, um den Apisticus des Jahres zu erhal- ten.

Jens Pistorius erhält diesen Ehrenpreis, weil er es geschafft hat, auf diesem Schleudersitz zwi- schen deutschen und europäischen Zulassungsbehörden, Chemischer Industrie, Prüflaboren, Landwirtschaft und Imkerschaft, seriös, ausgleichend, sachlich und mit Empathie aber nie emo- tional die mehr als unterschiedlichen Interessen und Zwänge zu meistern und ausgleichend zu wirken. Ob es sich um die Bienengefährlichkeit der Pyrethroide, die Giftigkeit der Neonicotinoi- de, ob es sich um das Problem der Saatgutbeizen und Tankmischungen handelt, ja selbst das Bienensterben im oberen Rheingraben von 2008 hat er als gerade erst in der BBA eingestellter Fachmann und Experte begleitet und maßgeblich zur Aufklärung beigetragen. Jens Pistorius hat immer ein offenes Ohr für die Ängste und Sorgen der Imker gehabt, Jens Pistorius hat jede Chance genutzt, sehr zum Leidwesen seiner Lebensgefährtin, das Gespräch mit den Betroffenen zu suchen. Unzählige Diskussionen auf Imkertreffen hat er geführt, Vorträge gehalten und auf Tagungen die Probleme dargestellt und erläutert.

Jens Pistorius hat es geschafft, die Bienenuntersuchungsstelle am JKI zu öffnen und die Vorge- hensweise transparent gemacht, um Imkern nach Bienenvergiftungen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.

In Fachkreisen ist Jens Pistorius nicht mehr wegzudenken, sein Rat, seine Bewertung ist weltweit gefragt. Es würde den zeitlichen Rahmen, der mir heute für seine Laudatio gegeben ist, weit sprengen, wenn ich alle Gremien und Institutionen nennen würde, in denen er die Interessen Deutschlands und der deutschen Imkerei vertritt. Natürlich ist er Mitglied in der AG Bienenschutz und hat auch diese deutsche Expertenrunde als Vorsitzender geleitet. Er nimmt am Runden Tisch der Imkerei, Landwirtschaft und Industrie beim deutschen Bauernverband teil, nimmt verschie- dene Funktionen bei der ICPBR, der International Commission Plant-Bee Relationship wahr, be- riet die amerikanische EPA, das brasilianische Bundes-Umweltamt (IBAMA) und die FAO und ar- beitet in verschiedenen Arbeitsgruppen bei der weltweit wirkenden OECD, der Organisation for Economic Cooperation and Development. Nicht zuletzt ist er in der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit, der EFSA (European Food Safety Authority) in verschiedenen Funktionen engagiert und vertritt auch hier die Interessen der deutschen Imkerschaft.

Meine Damen und Herren, ihm ist es mit zu verdanken, dass die Honig- und Wildbienen wieder mehr in das Bewusstsein der Bevölkerung gedrungen sind, ihm ist es mit zu verdanken, dass die Entscheidungsträger in Behörden, Institutionen und Regierungen die Bienen wiederentdeckt ha- ben. Der vorläufige Gipfel seines Wirkens ist die Tatsache, dass es seit 2016 ein Institut für Bie- nenschutz in Deutschland gibt, für das er als Leiter im Rahmen eines ordentlichen Berufungsver- fahrens ausgewählt wurde. Wir wünschen Jens Pistorius eine glückliche Hand bei der Führung und Projektion dieses Institutes, möge die Verleihung des Apisticus des Jahres ihm hierzu den Rücken stärken.

Meine verehrten Damen und Herren, Jens Pistorius bekleidet den wichtigsten und auch den schwierigsten Posten innerhalb der Bienenwissenschaft und hat bis heute seine Lebenslust, seine Empathie, seine Freundlichkeit und sein Lachen nicht eingebüßt. Hiervon mögen sie sich selbst überzeugen, wenn ich ihn jetzt zur Entgegennahme des Ehrenpreises auf die Bühne bitten darf.

Münster, den 11. Februar 2017

Prof. Dr. Peter Zwerger und Dr. Udo Heimbach
Julius Kühn-Institut (JKI)
Institut für Pflanzenschutz in Ackerbau und Grünland, Braunschweig

Dr. Peter Rosenkranz und Dr. Klaus Wallner
Landesanstalt für Bienenkunde Hohenheim, Stuttgart Hohenheim

Dr. Werner Mühlen
Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, Münster

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