Christian Dreher

Fachberater für Imkerei Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH) Bieneninstitut Kirchhain
Small is beautiful – Imkerei im Kleinen ganz groß

Klein soll schön sein? Wie bitte? Die Menschen waren und sind meistens von großen Dingen beeindruckt. Die Faszination und das Streben nach mehr steckt in uns: Groß, größer, am größten. Das scheint das Lebensprinzip der Menschheit zu sein. Zumindest ist unser Wirtschaftssystem und sogar die moderne Landwirtschaft darauf aufgebaut. Natürlich ist unbestritten, dass Größe unschlagbare Effizienzvorteile mit sich bringt. Doch grenzenloses Wachstum kann es bei begrenzten Ressourcen nicht geben. Unser Wachstum ist das Ergebnis einer “umfassenden ökologischen Plünderung“. Das hat Konsequenzen.

Den Imkerinnen und Imkern sind die veränderten Umweltbedingungen bewusst und werden auch gerne kritisiert. Gerade die Landwirtschaft bekommt ihr „Fett weg“. Doch wie verhalten wir uns? Gibt es dieses Wachstumsprinzip auch in der Imkerei?

Große Betriebe – große Probleme?

Das in den Medien viel zitierte Bienensterben gibt es so nicht. Entgegen der Meinung in der Bevölkerung, befindet sich „die Imkerei“ im Wachstum. Die Zahl der Imkereien steigt, und auch die Zahl der gehaltenen Bienenvölker steigt von Jahr zu Jahr. Es gibt allerdings einen Strukturwandel in der Imkerei. Die Anzahl der Erwerbsimkereien nimmt zu, und zum Teil auch die gehaltenen Völker in einer Erwerbsimkerei. Die weltweit größte „Honigfabrik“ hält über 80.000 Bienenvölker. Auch in Deutschland gibt es etliche Betriebe mit zum Teil weit über 1.000 Bienenvölkern. Das passt nicht zum Bienensterben. Aber es gibt durchaus Probleme. Die stark schwankenden und manchmal hohen Überwinterungsverluste können nicht befriedigen. Überwinterungsverluste können viele Ursachen haben, die meisten Verluste gehen aber auf das Konto der Varroamilbe. Ein Problem, dass seit Jahrzehnten besteht. Auch ist auffallend, dass in vielen Regionen Deutschlands bereits nach der Frühtracht die Nektar- und Pollenversorgung zu wünschen übriglässt.

Imkern liegt im Trend.

Die meisten Bienenvölker in Deutschland werden von Hobbyimkern gehalten. Dort gibt es einen anderen Trend, den Trend zu immer kleiner werdenden Imkereien. Das muss aber kein Nachteil sein, sondern kann eine große Chance beinhalten. Kleine Betriebe sind in der Lage naturnah zu produzieren und von Großbetrieben zu lernen. Grundsätzlich darf man sich die Frage stellen, eignet sich das System „Biene“ überhaupt für einen Großbetrieb? Was bedeutet naturnahe Bienenhaltung? Und wie können wir die Vitalität unserer Bienenvölker verbessern?

Je größer, desto unnatürlicher ...        

Eine moderne Bienenhaltung hat mit dem natürlichen Leben der Bienen nicht mehr viel gemein. Allein schon unsere Praxis oft viele Völker eng an einem Platz zu halten, kommt in der Natur nicht vor. Das bringt aber viele Nachteile mit sich. Bienen sind daran nicht angepasst und können sich nicht so gut orientieren. Sie verfliegen sich. Mit steigender Standgröße steigt die Räubereigefahr. Krankheiten und Parasiten werden ausgetauscht. Allen voran, die Varroamilbe. Außerdem wird die Nahrungsknappheit gefördert. Ein Bienenvolk hat einen beachtlichen Bedarf an Pollen und Nektar. Werden zu viele Völker an einem Platz gehalten, kann nicht jede Landschaft die hohe Völkerzahl ernähren. Gerade Großbetriebe versuchen die Trachtlosigkeit durch Wanderungen in die verschiedensten Trachtgebiete zu umgehen. Damit lässt sich das Problem entschärfen und den Honigertrag stark steigern. Allerdings nicht selten auf Kosten der Bienengesundheit.

Je kleiner, desto naturnaher ...

Wir sollten versuchen, uns am Vorbild der Natur zu orientieren und zu lernen. Gerade die Forschung an natürlich lebenden Bienenvölker hat neue Erkenntnisse gebracht. Unsere moderne Imkerei und deren Betriebsweise berücksichtigen die Bedürfnisse der Bienen zu wenig. Bienen sind Generalisten und Bienenvölker in ihrer Gemeinschaft enorm kompensationsstark. Passt die Haltung nicht optimal, muss das nicht zwangsläufig auffallen. Erst wenn das System Bienenvolk überlastet wird, „knallt“ es.

Gerade kleine Imkereien können die natürlichen Bedingungen viel besser und leichter imitieren. Bienen kann man fast überall in Deutschland halten. Auf dem Land, wie auch in der Großstadt. Sehr kleine Stände, eine weit zerstreute Einzelaufstellung schafft die Voraussetzung.

Bienen können und wollen schwärmen. Das wird in fast jeder modernen Betriebsweise unterbunden. Es hat sich aber gezeigt, dass der Schwarmakt sich positiv auf die Varroabelastung und die Bienengesundheit auswirkt. Wenn wir die Bienen nutzen wollen, dann werden wir sie nicht ungehindert schwärmen lassen können. Wir können aber die positiven Effekte durch eine Brutentnahme imitieren.

Mit reiner „Natürlichkeit“ werden wir die Überwinterungsverluste nicht in den Griff bekommen. Und man kann mit Sicherheit alles übertreiben. Was wir bestimmt nicht brauchen sind neue, vermeidlich besonders wesensgemäße Behausungen. Bienen leben seit tausenden von Jahren, in vielen Regionen der Erde, unter den unterschiedlichsten Bedingungen. Die Natur hält die vielfältigsten Bienenwohnungen bereit. Bienen können und müssen sich anpassen, ansonsten wären sie vielleicht schon ausgestorben.

Nicht nur die Bienen beobachten, sondern auch die Varroamilben.

Wer heute erfolgreich und verlustfrei imkern möchte, der muss auch lernen mit der Varroamilbe zu imkern. Ein pauschales Bekämpfungskonzept, das nicht nach dem Schadschwellenprinzip funktioniert, kann nicht immer erfolgreich sein. Wenn die Bedingungen zu stark vom Standardschema abweichen, dann scheitern diese Konzepte. Zu jedem zeitgemäßen Varroabehandlungskonzept gehört eine lückenlose Varroadiagnose.

Von Großbetrieben können die Kleinen vieles lernen, auch wie es nicht gemacht werden sollte. Klein kann großartig sein. Lassen Sie sich nicht vom Größenwahn anstecken. Eine individuelle und naturnahe Bienenhaltung ist der Schlüssel für den Erfolg!