Dr. Melanie von Orlow
Berlin
Bienen – Immer und überall? Wie der Gold Rush in der Stadtimkerei den Bienen einen Bärendienst erweist

 

Honigbienen sind in Städten inzwischen keine „Exoten“ mehr. Im Gegenteil – es ist regelrecht „trendy“ geworden, Bienen auf Dächern und berühmten Bauwerken zu halten. Hotels werben mit eigenem Honig „vom Dach“ und Initiativen wie „Berlin summt“ und „Bienenbox“ schaffen den Eindruck, dass die Imkerei nicht nur an allen Stellen möglich, sondern auch als Mittel gegen das „Bienensterben“ notwendig sei.

Hinzu kommen im Internet gut begleitete Haltungssysteme, die unter dem Titel „wesensgemäße Imkerei“ eine besonders einfache Bienenhaltung suggerieren.
Immer mehr Städter holen sich so ihr persönliches Stück „Wildnis“ auf den Balkon oder in den Kleingarten und der Trend macht sich inzwischen auch bei den Imkervereinen in den Städten bemerkbar. So glänzt der Berliner Landesverband des Deutschen Imkerbundes (D.I.B.) mit jährlichen Zuwachsraten der Mitgliederzahlen von rund 15 %.
Allmählich zeigen sich jedoch die Probleme der wachsenden Stadtimkerei.

So häufen sich die Klagen von Städtern, die sich durch die Bienenhaltung belästigt fühlen. Darunter sind nicht-imkernde Nachbarn, die nicht mehr ohne Bienenstiche Rasen mähen können oder schon den Überflug ihres Grundstücks als Zumutung empfinden. Entkommene Schwärme ziehen in Schornsteine und Lüftungsschächte ein, aus denen sie oft nur mit Hilfe eines Schädlingsbekämpfers zu Lasten der Mieter entfernt werden können oder bleiben als „wilde Völker“ an unerreichbaren Örtlichkeiten im Niemandsland der Zuständigkeiten. In den als Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen eingebauten Vogel- und Fledermausquartieren bleiben sie oft über Jahre ein Thema für die Anwohner. Insbesondere Insektengiftallergiker fühlen sich vom neuen Hobby des Nachbarn bedrängt. Ein erstes Gerichtsurteil aus Hamburg stellte bereits 2014 klar, dass die Bienenhaltung auf dem Balkon grundsätzlich vom Vermieter untersagt werden kann und setzt damit eine erste Grenze für die städtische Bienenhaltung - weitere sind zu befürchten.

Hinzu kommt die Verbreitung von Bienenkrankheiten wie der meldepflichtigen „Amerikanischen Faulbrut“, die durch die hohe Bienendichte in den Städten wie auch das imkerliche Handeln gefördert wird. Inzwischen ist es kein Problem mehr, die Grundlagen der Imkerei aus Büchern und Internet-Ressourcen wie YouTube zu erwerben und selbst Bienen lassen sich online erwerben, so dass die in der Vergangenheit übliche Vereinsanbindung entfällt. Dementsprechend schwer fällt es Vereinen, sinnvolle Bekämpfungs- und Vermeidungsstrategien zu koordinieren oder mit Schulungen und Informationsveranstaltungen alle Bienenhalter zu erreichen. Das „Tiergesundheitsgesetz“ (TierGesG) erweist sich dabei als wirkungslos, da es gemäß § 3 Sachkunde nur von Haltern von „Vieh und Fischen“ fordert aber nicht von Bienen. Zudem sind viele Bienenstände gar nicht oder bestenfalls nur dem Veterinäramt bekannt, das diese Informationen den Imkervereinen jedoch aus Datenschutzgründen nicht zur Verfügung stellt. In der Folge sind hohe Winterverluste nicht zuletzt einer unzureichenden, unkoordinierten Varroa-Bekämpfung zuzuschreiben.

Imker und Imkervereine monieren zunehmend den mangelnden Kenntnisstand der Neuzugänge, die sich gerne für „alternative“ Haltungs- und Betriebsweisen begeistern, während Berufsimker bereits „Imkerführerscheine“ als Voraussetzung für die Bienenhaltung fordern. Gleichzeitig sind die Vereine jedoch nicht in der Lage, die hohe Zahl an Interessenten durch adäquate Schulung und Begleitung beim Start in dieses anspruchsvolle Hobby zu unterstützen. Der Mangel an qualifizierten und ehrenamtlichen „Imkerpaten“ ist bei diesem rasanten Wachstum auch auf längere Sicht nicht zu beheben. Die fehlende Vereinsanbindung, gepaart mit einem komplizierten und teuren Gesundheitszeugniswesen in den kleinteiligen Verwaltungseinheiten der Stadt fördert zudem einen Engpass bei verfügbaren Bienenvölkern. Dies verleitet vor allem Anfänger, die erforderlichen Bienenvölker von unbekannten oder dubiosen Quellen zu beziehen. Dabei hat sich ein solcher grenzüberschreitender Bienenhandel in der Vergangenheit mehrfach als wirksamer und effektiver Weg für neue Parasiten und Krankheiten erwiesen.

Hinzu kommt die wachsende Zahl an semiprofessionellen Imkern und Berufsimkern, die teilweise mit massiven Wanderbewegungen in den Städten auffallen. Das Aufstellen von 100 Bienenvölkern in Wohngebieten führt regelmäßig bei lokalen Imkern und Imkervereinen zu Beschwerden wie Kotbeschmutzungen von Fahrzeugen und Wintergärten sowie massivem Bienenbesuch an Wasserstellen wie Kinderplanschbecken und Schwimmbädern. Klagen, denen der Wanderimker durch das geplante Abwandern nach der Tracht entgeht – der Hobbyimker vor Ort wird mit diesen Vorbehalten und Beschwerden jedoch dauerhaft konfrontiert, selbst wenn seine kleine Völkerzahl alleine kein Problem (mehr) darstellt. Zwischenfälle, wie massive Räubereien in Bäckereien, nehmen zu und lassen den Sympathieträger Honigbiene zunehmend zur Belastung werden.

Im gleichen Maße wie das Imkern in der Stadt boomt geht das „Imkersterben“ im ländlichen Raum weiter. Dort, wo die Bienen am dringendsten gebraucht werden – ob als Bestäuber in der Landwirtschaft oder als „Bioindikator“ für „gute landwirtschaftliche Praxis“ – schwindet sie in unverändert hohem Maß. Allenfalls wanderfreudige Berufsimker besetzen noch für sie wirtschaftlich interessante Gegenden, während der Rest der schwindenden, natürlichen Bestäubervielfalt überlassen bleibt. Ursachen hierfür sind die geringe Kaufkraft der Honigkunden wie auch der allgemeine Bevölkerungsschwund im ländlichen Raum.

Es muss daher Ziel der Stadtimkerei werden, über den städtischen Tellerrand hinaus zu schauen und die Stadt nicht länger als „Hort“ oder „Zoo“ zu verstehen, in dem die „Bestäubereinfalt“ der Honigbiene bewahrt wird. Die Honigbiene in der Stadt darf nicht zum reinen „Trendhaustier“ verkommen, das von Politikern und Lokalgrößen als grünes Feigenblatt verwendet wird. Stadtimkerei sollte als Mittel verstanden werden, Städter für Bestäuber-relevante Themen über die Biene hinaus zu interessieren. Es sollte Ziel der Stadtimkerei sein, Bereitschaft und Instrumente zu entwickeln, die Bienen zurück in die Fläche zu bringen und die dort vorhandene Bienenfauna zu schützen und zu bewahren. Anstatt also den Nachweis zu führen, wie gut auch „Honig aus der Stadt“ sein kann und sich im beständigen Wettbewerb zur Landimkerei zu sehen, sollte die Zusammenarbeit mit ländlichen Imkern und Landwirten gesucht werden. Es muss verstanden werden, dass die Bienenhaltung kein Ziel, sondern ein erster Schritt auf einem langen Weg ist.

Das Ziel ist ein aufgeklärter, kritischer Konsument, der durch sein Kauf- und Spendenverhalten eine dafür notwendige ökologische, nachhaltige und kleinteilige Landwirtschaft fördert. Hier sind die Imkervereine wie auch die Imker egal welcher Fasson in der Pflicht, eine nachhaltig denkende und gut ausgebildete Imkerschaft zu bilden, die ihr städtisches Potential ausschöpft und zu Gunsten aller Bienen einsetzt.