Apisticus Tag 2007

Bruno Binder-Köllhofer

Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen, Bieneninstitut Kirchhain
D-35274 Kirchhain Erlenstr. 9

 

Praxisempfehlungen zur Varroabehandlung aus Hessen

 

In den letzten Jahrzehnten hat sich die Bekämpfungsausrichtung grundlegend gewandelt. Nicht mehr einzelne Maßnahmen stehen im Vordergrund, sondern ein Bündel von Methoden, die im Jahresverlauf sinnvoll einzusetzen ist. Gleichwohl ist die Brisanz der Varroose für die Bienenvölker unvermindert hoch. Im Gegenteil: Man kann den Eindruck gewinnen, dass die Varroa-Milbe umso stärker zurück schlägt, je effektiver die Bekämpfung erfolgte. Leider sind langfristig alle einfachen Rezepte oder alleinige Behandlungsmittel, wie so oft in Bekämpfung von Schaderregern, gescheitert.

Das Wissen und die Fertigkeit des Bienenhalters sind weiterhin durch die Varroose sehr stark gefordert und es zeigt sich, dass dies in kritischen Situationen oft auch eine Überforderung darstellen kann.

Die Empfehlungen an die Praxis in Hessen bauen auf folgenden Überlegungen auf:

Ein integriertes Bekämpfungskonzept hat Vorrang, d.h., es müssen verschiedene Bausteine im Jahresverlauf miteinander kombiniert werden, um die Varroabelastung unter der Schadschwelle zu halten. Dabei spielt nicht nur die Qualität der Behandlung eine ausschlaggebende Rolle, sondern auch der richtige Zeitpunkt. Nur wenn die passende Behandlung möglichst frühzeitig und zeitgerecht angewandt wird, hat sie Aussicht auf Erfolg.

Ein Imkern ohne Varroa ist schlechterdings nicht mehr möglich, die ganze Völkerführung dreht sich das gesamte Jahr hindurch die Milbe.

Erfolgreiche Imker benötigen ein gewisses Basiswissen um die Zusammenhänge mit der Varroose:

·       Wann ist die Gefahr für die Völker am größten?

·       Welche Maßnahmen während der Tracht gibt es? Welche Maßnahmen passen in mein Betriebskonzept, welche setze ich ein? Habe ich diese schon optimiert (kein ständiges Wechseln!)?

·       Welche wirksamen Behandlungsmethoden verwende ich, in welchen Intervallen und in welcher Stärke?

·       Kann ich auf nicht rückstandsbildende Mittel ausweichen?

Die momentanen Empfehlungen für die hessischen Imker bauen auf oben genannte Punkte auf:

Trachtmaßnahmen: Drohnenbrutschnitt: Obligatorisch ist das kontinuierliche und konsequente Ausschneiden zumindest der ersten 3–4 der Drohnenbrutwaben, besser vollständig von April bis etwa Mitte Juni. Dies reduziert die Milbenvermehrung zwischen 20–50 %. Man gewinnt dadurch etwa einen Monat Zeit zur Nachernte-Behandlung, bevor es für das Volk kritisch werden könnte. Idealerweise wird eine ausgebaute, evtl. auch bebrütete Drohnenwabe in der Nähe des Wintersitzes belassen (3. oder 4. Wabe von außen), damit schon sehr früh Drohnenbrut aufgezogen wird. Bei der Frühjahrsnachschau wird ein zweiter Baurahmen (Leerrähmchen!) gegeben und dann im Wechsel alle 14 Tage ausgeschnitten.

Jungvolkbildung: Die Schröpfung mit verdeckelten Brutwaben, etwa bei der Jungvolkbildung, reduziert die Milbenmenge im Spendervolk um weitere 10–20 %. Gleichzeitig wird durch eine ausreichend große Anzahl an Jungvölkern das Risiko an Völkerverlusten erheblich reduziert. Jungvölker sind schon aufgrund des „Verdünnungseffektes“ per se weniger mit Varroa behaftet. Wird in der kurzen Phase, bevor die neue Königin verdeckelte Brut aufweist, mit entsprechenden Mitteln behandelt und sind die Jungvölker separat aufgestellt, braucht man sich bei dieser Völkergruppe keine große Sorge um Varroa-bedingte Schäden zu machen. Leider wird diese Möglichkeit viel zu wenig genutzt.

Bannwabe: Der Einsatz der Bannwabenmethode ist sehr effektiv und kann im Rahmen einer darauf aufbauenden Betriebsweise genutzt werden. Sie ist jedoch eher ein Instrument für gut ausgebildete Imker in Alleinlage ohne Reinvasion durch benachbarte Bienenstände.

Die Fangwabenmethode kann im vorgenannten Sinne gesehen werden, wobei diese noch den Vorteil hat, dass extrem gefährdete Völker vielfach ohne Ertragseinbußen, noch gerettet werden können und zudem zusätzliche Volkseinheiten entstehen, die analog der Jungvolkbildung weitestgehend varroafrei sind.

Eine Brutpause hat für die Varroaentwicklung gravierend negative Auswirkungen. Es wird derzeit wieder darüber diskutiert, inwieweit diese in eine allgemeine Betriebsweise integriert werden kann. Eine allgemeine Empfehlung gibt es dazu noch nicht. Hier wäre aber meiner Ansicht nach ein lohnendes und angemessenes Betätigungsfeld für Imker, die neue Wege beschreiten wollen.

Sommer- =Nachernte-Behandlung: Bei uns ist am 15. spätestens 20. Juli, vielfach aber auch schon Anfang Juli die Tracht beendet. Mein dringender Appell lautet: Rechtzeitig und zwar unverzüglich nach Haupttrachtende die Völker abernten, sofort einen reichlichen Futterstoß von mind. 5–10 kg Zucker verabreichen und dann nach Futterabnahme umgehend mit der Behandlung zu beginnen.

Überspitzt formuliert: Eine Woche zu spät behandelt, wirft das Bienenvolk einen Monat in der Varroaentwicklung zurück. Gerade die im Juli stark zurückgehende Bruttätigkeit lässt die relative Milbenbelastung rapide ansteigen. Wer zur wichtigsten Behandlungszeit zu spät oder unzureichend behandelt hat, wird vielfach durch Varroa-bedingte Völkerverluste bzw. durch angeschlagene und schwache Bienenvölker bestraft. Besonders anfänglich brutstarke und im Juli noch bienenreiche Honigvölker können dann gerade ins Gegenteil umkippen und im August bzw. September ein erbärmliches Bild abgeben.

Ameisensäurebehandlung: Traditionell hat sich bei uns die Ameisensäurebehandlung mit Schwammtuch durchgesetzt, weil in Hessen lange Jahre hindurch die ähnlich verwendete, nun nicht mehr produzierte Illertisser Milbenplatte, bezuschusst und zentral beschafft wurde. Unsere Imker haben damit langjährig gute Erfahrungen gemacht und die meisten setzen diese kostengünstige und wenig aufwändige Methode ein. Zudem zeigen mehrfach wiederholte Versuche, aber auch Praxiserfahrungen, dass diese Schwammtuchmethode bei richtiger Anwendung hoch wirksam ist. Allerdings bedarf es bei der Ameisensäure generell gewisser Erfahrungen hinsichtlich der eigenen Beute, der Volksstärke, aber auch dem Temperaturverlauf während der Behandlungszeit.

Bei Anwendung von oben empfehlen wir 20 ml 60%ige Ameisensäure je Zarge, bei Anwendung von unten mind. 30 ml/Zarge im Abstand von 4 Tagen mit insgesamt 4 Behandlungen. Wichtig sind Schutzvorkehrungen für den Anwender: säurefeste Handschuhe, Schutzbrille und sofort verfügbares frisches Wasser zum Abspülen für Notfälle.

Seit zwei Jahren ist das  Thymolpräparat „Apiguard“ im Kommen. Aus einzelnen Vereinsgebieten wird von fast flächendeckender Behandlung und guten Ergebnissen berichtet. Aufgrund der in Versuchen gezeigten, teilweise nicht immer überzeugenden Wirkung, habe ich von einer allgemeinen Empfehlung Abstand genommen. Gleichwohl stellt der Wirkstoff Thymol für viele Imker eine interessante Alternative dar. Das neu zugelassen Präparat „Thymovar“ hat unseren Ergebnissen nach eine bessere Wirkung. Thymolpräparate eignen sich aufgrund der langsamen Anfangswirkung nicht für stark varroabelastete Völker. Während der Behandlung besteht Räubereigefahr, eine (Flüssig-) Fütterung sollte unterbleiben. Zusätzlich ist zu bedenken, dass das betroffene Wachs bis zu einem gewissen Maß belastet wird und bei nicht zeitgerechtem Einsatz ggf. riechbare Rückstände im Honig auftreten.

Winter-Restentmilbung: Die Sommerbehandlungen sind größtenteils ausreichend, um ein gesundes Winterbienenvolk aufzubauen. Keines der zur Nachernte-Behandlung genannten Mittel ist jedoch so hoch wirksam, dass es als alleiniges Mittel ausreicht. Weiter ist zu bedenken, dass es durch Verschleppung aus der Nachbarschaft, zu Milbeneintrag kommen kann. Spätestens im Frühjahr wirkt sich das als Startpopulation negativ aus.

Wir empfehlen generell eine Winterbehandlung. Nur besonders aufmerksamen und fachgerecht kontrollierenden Imker kann eine abgestufte Varroabehandlung empfohlen werden, bei der nur einzelne stark belastete Völker behandelt werden.

Meistenteils greifen hessische Imker auf nicht rückstandsbildende Mittel wie Oxalsäure geträufelt (Oxuvar) oder im geringen Maß auf Milchsäure gesprüht zurück.

Größtenteils kommen unsere Imker gut mit vorgenannten Behandlungsempfehlungen gut zurecht. Leider erfahre ich besonders in kritischen Jahren bei Kontakten und Nachfragen immer wieder, dass von erprobten Verfahren abgewichen wurde oder wichtige Kriterien (Temperatur, Dosierung) nicht beachtet wurden.

Mit Sorge betrachte ich auch die letzten Jahre, in denen die milden Spätsommermonate die Völker bis in den Oktober brüten lies. Die in denselben Jahren vorangegangene kühle Witterung im Juli/August mit nicht bemerkten Wirkungsschwächen der Ameisensäure aufgrund reduzierter Abdampfung führten zu einer starken Vermehrung von Milben in den Völkern. Zusätzlich kam es zu einer erheblichen Reinvasion mit Milben. Es ist daher zu überlegen, ob unter solchen Gegebenheiten zukünftig nicht zu einem zweiten Ameisensäureintervall  (z.B. Anfang September) geraten werden muss.

Ausblick: Die große, alles abtötende Keule gegen die Varroa gibt es nicht (mehr). Die Milbe kann man mit gezielten Eingriffen soweit in Schach halten, dass die Völker keinen Schaden erleiden. Es liegt an jedem einzelnen Imker, zusammen mit seinen Nachbarimkern, zeitgerecht, wirksame und für seine Verhältnisse passende Maßnahmen auszuwählen und konsequent umzusetzen.

Als flankierende Maßnahmen sollte man den natürlichen Vermehrungstrieb zur Varroareduzierung stärker nutzen. Als zukünftiger Schritt in einen besseren Umgang mit der Milbe, könnte eine noch zu entwickelnde, angepasste Betriebsweise und die verstärkte Nutzung besonders wenig varroabelasteter –eigener oder aber auch speziell danach ausgelesener- Völker sein.