Prof. Dr. Bernd Grünewald

Institut für Bienenkunde Oberursel der Polytechnischen Gesellschaft Fachbereich Biowissenschaften der
Goethe-Universität Frankfurt am Main

Gehirnforschung an Bienen:
Lernverhalten und Wirkungsweisen
von Insektiziden

Bienen kommen unvermeidbar während ihrer Sammelflüge mit Pflanzenschutzmitteln in Kontakt. Viele der Insektizide, die in der Landwirtschaft, in Parkanlagen oder privaten Gärten eingesetzt werden, können die Honigbienen schädigen. Doch wie groß sind die Gefahren für unsere Bienenvölker? Wie wirken Insektizide auf den Organismus der Biene? Viele neue Forschungsberichte geben hier eine verwirrende Zahl von Antworten. Teilweise widersprechen sich die Befunde sogar. In diesem Vortrag werden die wissenschaftlichen Grundlagen dieser Problematik beleuchtet.

Was sind Insektizide chemisch? Viele Insektizide sind chemische Abkömmlinge (Derivate) von natürlichen Pflanzeninhaltsstoffen. Die Pflanzen schützen sich durch diese Substanzen davor, von Raupen, Käfern oder Rindern gefressen zu werden. Eine der bekanntesten Pflanzenabwehrstoffe ist das Nikotin der Tabakpflanze. Es ist ein sehr starkes Nervengift, welches nur wenige Tiere vertragen. Aus diesem Naturstoff entwickelten Chemiker eine neue Stoffklasse, die Neonikotinoide, welche heute weltweit in der Landwirtschaft zur Schädlingsbekämpfung eingesetzt werden. Wie die meisten Insektizide wirken die Neonikotinoide im Nervensystem der Insekten. Sie blockieren Bindungsstellen auf der Nervenzelle und verhindern so die Weiterleitung von Informationen im Insektengehirn. Auch auf das Gehirn der Biene lassen sich Auswirkungen von Neonikotinoiden beobachten. In Oberursel untersuchen wir die molekularen Wirkungen von Thiacloprid, Imidacloprid und Clothianidin. Diese Neonikotinoide beeinträchtigen alle die Funktion des sogenannten Nikotinrezeptors der Biene. Auf diese Weise können sie Verhaltensänderungen verursachen. Solche Verhaltensänderungen werden jedoch nur nach Überdosierungen beobachtet: die Menge an aufgenommener Substanz muss mindestens das 10fache der normalen Dosis überschreiten. Zu den Wirkungen von Neonikotinoiden gehört eine verringerte Sammeltätigkeit. In Verhaltensexperimenten kann das Orientierungsvermögen von Trachtbienen leicht beeinträchtigt sein und von ausgedehnten Sammelflügen kehren manche Bienen nach experimenteller Insektizidaufnahme schlechter zum Volk zurück. Darüber hinaus werden Bienen nach Fütterung von Clothianidin überaktiv und können sich minutenlang nicht koordiniert bewegen. Diese Wirkungen auf das Verhalten der einzelnen Biene wurden wissenschaftlich sehr gut von verschiedenen Forschern, auch aus Oberursel, nachgewiesen. Erstaunlicherweise führen diese Effekte jedoch nicht zu Schädigungen am gesamten Bienenvolk. Wir haben Wirtschaftsvölker über mehrere Monate ausschließlich mit Futtersirup, dem Thiacloprid beigemischt war, gefüttert. Die Völker entwickelten sich genauso gut wie Kontrollvölker, die Futter ohne Substanzen erhielten. Hier wollen wir in Zukunft genauer erforschen, wie das Verhalten einzelner Bienen möglicherweise das Geschehen im Volk beeinflusst. Die Rückstände von Neonikotinoiden im Honig sind gerade noch nachweisbar, aber sehr gering. Sie lassen sich nicht vermeiden, denn unsere Bienenvölker benötigen Massentrachten. In den meisten Fällen überwiegen dahe